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Inner Courts: Vernissage von Alexandra Livadaru bei den Zehlendorfer Wespen

 

Eine Kunstausstellung in einem Sportverein? Wie kommen abstrakte Bilderwelten mit dem sportlichen Alltag in einem Tennis- und Hockeyverein zusammen? Wie die Vernissage unserer 1. Tennis-Damenspielerin und Trainerin Alexandra Livadaru am vergangenen Samstag eindrucksvoll zeigte: auf sehr viele - und vor allem: auf sehr vielfältige - Weisen.

 

In ihrer Einführung erläuterte Alexandra, dass sie sich in der unter dem Titel "Inner Courts" gefassten Werkserie mit einem für sie genauso essentiellen wie auch emotionalen Thema auseinandersetzt, das sie in ihrer künstlerischen Arbeit bisher ausgespart hatte: der Rolle des Tennissports in ihrem – und für ihr – Leben. Um die diesem Thema gewidmeten Arbeiten zu ergründen, könne dabei auf zwei Weisen verfahren werden: die Bilder als solche erst einmal wirken lassen, oder ihnen im Zusammenklang mit den jeweils korrespondierenden, sehr poetischen Texten begegnen. Aber unabhängig von der Art, in der man sich mit den Arbeiten von Alex auseinandersetzen möchte: wunderschön sind sie allemal!

 

In den Blick fallen zunächst viele großformatige Bilder mit unterschiedlichen Grundfarben, dominierenden Blau- oder Rot-Tönen, Werke in sanften Rosa/Orange-Schattierungen, aber auch Arbeiten in dunkleren Grau-Kolorierungen. Den beeindruckenden Werken gemein ist eine Alexandra eigene – mal subtilere, mal markantere – Formensprache, die im Zusammenwirken mit der jeweiligen Farbgebung vor allem die verschiedenen Rhythmen widerzuspiegeln scheint, die für die mentalen Herausforderungen des (Tennis-)Sports so kennzeichnend sind. Auf der einen Seite, buchstäblich, der befreiende Rhythmus, wenn alles mühelos, wie von selbst von der Hand geht. Auf der anderen Seite die sich abwechselnden Rhythmen von Selbstzweifeln, Resignation, innerem Schmerz, enttäuschten Erwartungen, einer lärmenden wie auch lähmenden Stille zu Augenblicken des Selbstvertrauens, der Hoffnung, der Freude und Erfüllung, einer befreienden Ruhe.

 

Im Zusammenwirken von Bild und korrespondierendem Text wird bei vielen Arbeiten schnell deutlich, dass immer mehr im Spiel ist als in Farbe und Form gegossene Ausprägungen des einen oder anderen 'Rhythmus'. Es manifestiert sich eine tiefgreifende, selbst-reflexive Auseinandersetzung mit Gefühls- und Denkwelten, bei welcher der Tennisplatz in den Hintergrund tritt, zu einem Resonanzraum für viel weitergehende Fragestellungen wird. So geht Alex in einem sehr bewegenden Moment ihrer Einführung auf zwei Werke ein – "Spill your freedom" und "Miles with my mother" –, die ihre eigene Tennis-Vita verhandeln, die von früher Jugend an von just solchen Rhythmen bestimmt ist. Eingebunden in enge familiäre Bindungen entfachen diese jedoch eine ganz andere emotionale Wucht, deren Aushandlung – vielleicht auch gerade: deren ästhetische Aushandlung – aber auch zu ganz anderen Formen von Nähe, Verständnis und Aussöhnung führen kann.

 

Neben den großformatigen Werken konnten die zahlreichen Besucherinnen und Besucher auch einen Zyklus kleinerer Werke bewundern, der vielleicht am besten als medienübergreifendes Gesamtkunstwerk zu verstehen ist. Alexandra hatte die Eingebung, vom Tag der Terminfestlegung der Vernissage bis zum Stattfinden selbiger jeden Tag ein kleines Bild zu malen – und den Prozess durch kurze Filme erfahrbar zu machen. Ausgehend von ihrer eigenen Match-Erfahrung des Saisonendes entstand schnell ein dialogischer Prozess: Alex bat Spielerinnen und Spieler sowie Trainer der Wespen-Tennisteams, (ehemalige) Weggefährtinnen und Weggefährten und Tennisschüler – nicht zuletzt auch ihre ältere, ebenfalls mit dem Tennissport aufwachsende Schwester und ihren (seinerzeit beide Kinder trainierenden) Vater – darum, ihr Texte zukommen zu lassen, die von den eigenen, tennisbezogenen 'inneren Konflikten' zeugen. Alexandras Auseinandersetzung mit diesen Texten liegt nun in einunddreißig Arbeiten vor, deren Entstehung in kurzen Filmen dokumentiert ist. In diesen sieht man kurz die Künstlerin bevor sie ans Werk geht, das Auftragen der Grundfarbe, Fotos der Person, die ihr den entsprechenden Text geschickt hat, Hand und Pinsel bei der Ausarbeitung der Details – schließlich das fertige Kunstwerk. Der Prozess ist mit individuell ausgesuchten Musikstücken unterlegt. Und dem Vorlesen des Textes, der das jeweilige Bild inspirierte.

 

Was hier entstanden ist, ist weit mehr als eine Sammlung verschiedener Tennisplatz-Erfahrungen. Mit imponierender Sensibilität und Empathie gelingt es Alex, die Gedankenwelt der Texte, die Persönlichkeiten der Urheberinnen und Urheber ästhetisch in einer Art und Weise einzufangen, die unverkennbar 'Alexandra' ist, aber gleichsam auch den Charakter der Schreibenden abzubilden vermag. Ihr Herangehen an ihre eigenen 'Inner Courts' sowie auch ihr einfühlsamer Umgang mit den Erfahrungswelten anderer lässt etwas für die mentalen Problemstellungen des Leistungssports sehr seltenes entstehen, insofern der Bildzyklus einen ästhetischen Reflexionsraum eröffnet, in dem ein offener und mutiger Austausch über Vulnerabilitäten möglich wird, sich Potentiale ihrer Überwindung andeuten, in dem sich Selbst und Anderes ineinander spiegeln und somit einen Gemeinsinn stiften, der die Grenzen eines Tennisplatzes – eines jeden Sportplatzes – sprengt und uns mitten ins Leben führt.

 

Dem geflügelten Wort nach ist über Kunst zu schreiben so wenig zielführend, wie über Architektur zu tanzen: ein wirklicher Eindruck von Alexandras eindrucksvoller, anregender und schöner Kunst entsteht am besten in der Auseinandersetzung mit dieser selbst. Hierzu sei unbedingt ein Blick auf Alexandras Webseite <www.aliva-art.com> empfohlen, auf der die ausgestellten Arbeiten wie auch die Entstehungsvideos der kleineren 'Inner Courts' aufzufinden sind.

 

Die Zehlendorfer Wespen danken an dieser Stelle herzlich unseren Tennis-Jugendvorständen Stefanie Bergmann und Götz Treber für die Idee einer Ausstellung von Alexandras Werken sowie für ihre Unterstützung bei der Realisierung. Darüber hinaus möchten wir Sangar und seinem Gastronomie-Team sehr herzlich für das Sponsoring und die Durchführung des Caterings danken.

 

Aber ganz besonders danken wir Alexandra Livadaru – dafür, dass sie uns an ihren Werken und ihrer Verarbeitung eigener Erfahrungen (und der anderer) mit den Herausforderungen des Sports und des Lebens hat teilhaben lassen. Und dass sie mit ihren Werken, ihrer Persönlichkeit und in der Interaktion mit ihren Eltern einen ganz besonderen, berührenden, von einer offenen und familiären Atmosphäre geprägten Abend gestaltet hat, der uns noch einmal in anderer Weise die Wichtigkeit eines Gemeinsinns vor Augen führt, für den wir als Wespen einzustehen streben.

Fotos: Aleksandra Bystrova
Video: Alexandra Livadaru