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Marcus Laudan im Interview mit dem Tagesspiegel

Leute Newsletter des Tagesspiegels vom 4.2.2021, Autor: Boris Buchholz

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Sein Aufschlag ist eine seiner Stärken: Marcus Laudan, 28, ist einer der erfolgreichsten Rollstuhltennisspieler der Zehlendorfer Wespen. Aktuell trainiert er für die Teilnahme an den Paralympischen Spielen in Tokio im Sommer 2021 – wie allerdings die Qualifikation für die Teilnahme ablaufen soll, ist unklar.

 

Herr Laudan, ist denn inzwischen sicher, dass die Spiele in Tokio überhaupt stattfinden? 

Ich weiß nur soviel, dass die Paralympischen Spiele wie geplant ab dem 24. August in Japan stattfinden sollen – bisher. Leider können aufgrund von Corona die ganzen kleineren Turniere für die Qualifikation nicht ausgeführt werden, da diese die Hygieneauflagen nicht einhalten können. So ist es seit März 2020 für die meisten Spieler nicht mehr möglich, Weltranglistenpunkte zu sammeln.

 

Und wie funktioniert dann die Auswahl für Olympia ohne Turniere? 

Gar nicht. Im März 2020 stand ich auf Platz 34 der Weltrangliste, mein Zwillingsbruder Max hatte die Position 25. Um in der Quadklasse teilnehmen zu können – für Rollstuhlfahrer mit Einschränkungen der Beweglichkeit an den Beinen und Armen –, muss die Weltranglistenposition mindestens 16 sein. Also entschlossen wir uns letztes Jahr, 18 Turniere zwischen Februar und Juli 2020 zu spielen. Wir legten dafür beide ein Urlaubssemester in der Uni ein und ich beendete meinen Werkstudentenjob, um den Traum von Tokio 2021 wahr werden zu lassen. Wir setzten alles auf eine Karte und reisten in die USA – leider holte uns die Pandemie ein. Von heute auf morgen hieß es: Koffer packen, in zwei Tagen herrscht in den USA Ein- und Ausreiseverbot. Seitdem hoffe ich eben, dass die Turniere bald wieder stattfinden. Denn zur Zeit werden nur Grand-Slam-Turniere gespielt. Spieler, die vor der Pandemie das Ranking hatten, um Grand Slams spielen zu können, können dort noch Punkte sammeln. Alle anderen Turniere finden nicht statt, ein fairer Wettbewerb ist nicht gegeben. Meine Hoffnung auf Tokio schwindet.

 

Ich kenne mich in der internationalen Rollstuhltennis-Szene nicht aus: Wie groß wären Ihre Chancen auf eine Medaille? 

Die Chancen auf eine Medaille wären nicht allzu groß gewesen, aber es wäre schon eine besondere Ehre gewesen, an den Spielen teilzunehmen. Mein Zwillingsbruder Max stand vor seiner Rückenverletzung in den TOP 10. Und er konnte auf Sardinien 2018 einen Sieg über die Nummer 4 der Welt erringen. Es wäre also auch nichts unmöglich gewesen.

 

Was reizt Sie am meisten an der Olympia-Teilnahme? 

Olympia ist für mich wie ein Fest, zu dem die besten Sportler der Welt geladen sind. Ich möchte gerne Teil dieser Party sein. Mir immer Gedanken zu machen, ob es nun stattfindet oder nicht, bringt keinen Fortschritt. Deswegen liegt mein Fokus aktuell auf Training, Training, Training, um dann wieder angreifen zu können, wenn alles seinen normalen Gang geht.

 

Wie sind Sie überhaupt in den Rollstuhl und dann zum Wheelchair-Tennis gekommen? 

Wir haben beide eine multiple epiphysäre Dysplasie, eine Störung des Knochen- und Körperwachstums. Das ist eine sehr seltene Erkrankung. Nach einem langen Marathon im Krankenhaus, der sich über Jahre erstreckt hatte, wurde irgendwann klar: Max und ich werden nicht mehr richtig laufen können und uns eben im Rollstuhl fortbewegen müssen. Da waren wir neun Jahre alt. Als diese Tatsache verdaut war, bemerkten wir, dass man fast alles wie ein „Läufer“ machen kann. Man muss nur um die Ecke denken oder die Dinge anders angehen. Unsere Mutter spielte Tennis, ebenso wie unser großer Bruder Alexander. Wir schauten oft zu, wollten aber bald auch selbst spielen und kamen so zum Verein Zehlendorfer Wespen: Hier wurde uns Rollstuhltennis beigebracht. Seit dem ersten Tag sind wir tennissüchtig! Das merkt man auch online: Max und ich teilen auf Instagram unter dem Namen Brothersmclaud unsere Trainings, Turniere und Fortschritte.

 

Die Zehlendorfer Wespen behaupten in ihrem „Wespen-Magazin“, dass es wohl keinen anderen Tennis- und Hockeyverein gäbe, in dem Inklusion so normal geworden ist. Stimmt das? 

Die Wespen sind absolute Vorreiter in puncto Inklusion. Als Max und ich vor 15 Jahre mit dem Tennis anfingen, gab es keinen anderen Verein, der Rollstuhltennis anbot. Es gibt bei den Wespen einige Rollstuhltennis-Breitensportler und fünf Kaderspieler, inklusive Max und mir, die erfolgreich an Wettkämpfen teilnehmen. Hier zu spielen, ist so völlig normal, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt, dass es etwas Besonderes ist. Mittlerweile ziehen aber auch andere Vereine wie um Beispiel der TC Grün-Weiß Baumschulenweg nach.

 

Ihr Zwillingsbruder Max hat sich beim Training am Rücken verletzt und kämpft darum, wieder auf den Tennisplatz zurückzukehren. Wie sehr belastet Sie der Unfall Ihres Bruders? 

Ja, die Rückenverletzung war ein herber Rückschlag, Max stand schon unter den Top-10-Spielern der Welt und dann verletzte er sich die Wirbelsäule. Ich bin super froh, dass es ihm soweit gut geht und er wieder ordentlich sitzen und den Alltag meistern kann. Mit Sport, Gymnastik und viel Disziplin beim Tragen einer Rückenschiene versucht er, wieder wettbewerbstauglich zu werden. Meiner Meinung nach ist er auf einem sehr guten Weg. Aktuell lässt er sich einen neuen Sportrollstuhl bauen, in dem er besser sitzen kann, um dann ab Mai 2021 wieder durchstarten zu können. Let’s go, Max, du packst das!

 

Bei den Wespen gibt es noch eine zweite Aspirantin für Olympia: Katharina Krüger war schon bei den Spielen in London und Rio dabei. Ist sie Ihr Vorbild? 

Katharina ist natürlich ein Vorbild. Sie hat schon vieles erreicht, von dem ich noch träume, und ich bin immer wieder von der Konstanz ihrer Schläge und Spielzüge beeindruckt. Gerade auf Turnieren feuert man sich gegenseitig an und gibt sich Tipps für die bevorstehenden Spiele. Das ist immer wichtig, gerade bei Turnieren im Ausland. In Trainingsmatches kann es schon mal hitzig werden. Jeder will gewinnen und schenkt dem anderen nichts. Danach ist aber immer alles sehr entspannt und locker.